Kerstin Linnartz im Interview: Viel mehr als nur Asanas

Als Moderatorin und Model kennt man Kerstin Linnartz bereits. Was viele bisher noch nicht wussten, ist, dass sie auch Yogalehrerin ist. Mit „All about Yoga“ hat sie ein fundiert recherchiert und toll bebildertes Buch geschrieben, das davon zeugt, welch magische Wirkung das Gesamtpaket Yoga auf uns ausüben kann.

Kerstin, du praktizierst seit über 16 Jahren intensiv und hast Yoga-Anatomie, Atmung und Bandhas, das Chakren-System, die Vedanta-Philosophie, Ayurveda, Meditationstechniken und Sanskrit studiert. Wie lässt sich deine intensive Praxis mit deinem Job als Medienprofi in Einklang bringen?
Das ist natürlich oft ein Balanceakt. Aber Balance lernt man ja durchs Yoga sehr gut (lacht). Nein, im Ernst: Zu Beginn meiner Praxis war es ein Ausgleich zu meinem hektischen Leben. Dann kam der Punkt, an dem Yoga und das spirituelle Leben eine so große Rolle einnahmen, dass ich mit der Oberflächlichkeit, die die Medienwelt teils mit sich bringt, nicht mehr klar kam. Da beschloss ich, eine Auszeit zu nehmen. Aus der Pause von „ein paar Monaten im Ashram“ wurden sieben Jahre, in denen ich zwischen Indien und Deutschland pendelte.

Im Vorwort zu deinem Buch „All about Yoga“ schreibst du, dass wir „mit Yoga unser Leben verändern und verbessern können“. Was gehört für dich zum Gesamtpaket Yoga?
Zunächst ist mir wichtig, dass „Yoga“ nicht nur bedeutet, sich auf der Matte zu verbiegen. Bei uns werden in „Yogakursen“ immer noch häufig nur Asanas unterrichtet. Mein indischer Lehrer sagt gern, im Westen gäbe es mehr „Asana-“ als Yogalehrer. Zu Yoga wird die Praxis erst, wenn ich auch die anderen Aspekte des Yoga praktiziere. Die richtige Geisteshaltung, Ernährung, Pranayama, Raja Yoga oder Bhakti Yoga sind mindestens genau so wichtig wie das Hatha Yoga. Klar macht es Spaß, wenn ich mir die Beine hinter den Kopf wickeln kann. Aber ein flexibler, gesunder Körper sollte vor allem das Fahrzeug für einen gesunden, flexiblen Geist sein. Wenn wir es schaffen, Yoga in unser Wesen und somit in unseren Alltag zu integrieren, dann kommen wir dem „Ziel“ des Yoga näher. Wobei natürlich auch hier gilt: „Der Weg ist das Ziel.“ Wer sich wirklich auf den Yogaweg einlässt, kommt nicht umhin, dass sich sein Leben verändert – zum Positiven.

Warum wolltest du überhaupt ein Buch über Yoga schreiben?
Im Grunde haben meine Schüler mich dazu gebracht. Bei meinen Retreats und Workshops wurde ich immer wieder gefragt, ob es nicht ein Buch oder eine DVD von mir gebe. Jetzt gibt es beides in einem (lacht). Tatsächlich habe ich mich lange gesträubt, ein Buch zu schreiben. Ich habe enormen Respekt vor Yoga; es ist für mich etwas sehr Wichtiges, Heiliges. Zugleich bin ich schon immer mit Spaß und Leichtigkeit an das Thema herangegangen. Daher wollte ich kein Buch verfassen, bevor ich mich wirklich dazu bereit fühlte. Es hat 17 Jahre Praxis, diverse Ausbildungen und unzählige Klassen mit hunderten Schülern aus aller Welt gebraucht, bis ich das Gefühl hatte, mein Wissen teilen zu wollen. Mir war wichtig, dass das Buch das „Komplettpaket“ Yoga beleuchtet. Die Produktion war ein Abenteuer, über das ich ein eigenes Buch schreiben könnte, aber der Aufwand hat sich gelohnt und über das Ergebnis sind jetzt Gott sei Dank alle mehr als glücklich!

Deinen Lesern gibst du den Rat, regelmäßig auf (materiellen) Luxus zu verzichten, um zu erfahren, wie leicht man auch ohne all den Tand glücklich sein kann. Gönnst du dir selbst auch Auszeiten von all dem Glamour, der dich umgibt?
Oh ja. Seit mehr als zehn Jahren ziehe ich mich regelmäßig in Ashrams zurück. Dort erde ich mich. Meine vielen Reisen nach Afrika, Südamerika und natürlich meine sieben Jahre in Indien haben mir gezeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, in 5-Sterne-Hotels zu wohnen. Obwohl ich nie diese Einstellung hatte – ich komme aus einfachen Verhältnissen. Aber durch meinen Job als Moderatorin wurde ich teils verwöhnt. Wenn du allerdings viele Jahre so gelebt hast wie ich in Indien – oft tagelang ohne Strom, warmes Wasser oder ohne jeden Komfort im Dschungel unterwegs – dann weißt du sogar fließendes Trinkwasser zu schätzen. Jedes Mal, wenn ich nach vielen Monaten aus Indien zurückkam, fiel mir auf, wie gut wir Menschen hier auf hohem Niveau über selbstgemachte Probleme jammern können.

Aufgrund deiner Erfahrung trägst du den Titel „Yoga Acharya“ („Yogameister“). Was bedeutet dieser Titel für dich?
Titel sind wie unser Alter nur Buchstaben oder Zahlen. Als wir am Ende der Ausbildung, bei der ich diesen Titel erhielt, von den Swamis eingeweiht wurden, sagte eine Lehrerin etwas sehr Schönes. Parallel zu unserer Ausbildung lief eine Grundausbildung für Yogalahrer im selben Ashram. Diese Gruppe war etwa hundert Leute stark, wir waren siebzehn. Die Swami sagte zu uns: „Ihr seid hier, weil ihr schon in einem vorigen Leben auf dem yogischen Weg wart. Diese Ausbildung ist hart, niemandem macht das zum Spaß. Um zu unterrichten oder ein Zertifikat zu tragen, reicht die Grundausbildung. Ihr wollt mehr, tiefer gehen. Eure Praxis ist so in euch gefestigt und verankert, dass sie Teil eures Lebens ist. Ihr könnt jetzt nicht mehr zurück. Ihr seid nach Hause gekommen. Ab jetzt seid ihr nicht mehr ‚Lehrer‘. Ihr seid jemand, der an seiner Praxis festhält, sich verpflichtet hat und das mit anderen teilt.”

Geht es in unserem Leben darum, den Zustand von Samadhi zu erreichen?
Wie gesagt, ist der Weg das Ziel. Wenn es dein dringender Wunsch ist, Samadhi zu erreichen, kannst du das schaffen. Natürlich bekommt das niemand geschenkt. Es ist harte Arbeit, wir müssen ganz schön viel Müll hinter uns lassen. Das bedeutet Verzicht und Disziplin. Aber allen die jetzt denken, das sei nichts für sie, möchte ich sagen: Man kann sich auf den yogischen Weg begeben und gleichzeitg richtig viel Spaß im Leben haben! Ich habe beides bis ins Extrem ausgekostet – Sex, Drugs and Rock´n´Roll und Askese. Von Samadhi durfte ich zum ersten Mal eine Ahnung bekommen, als ich mich in der Mitte zwischen beiden Extremen eingependelt habe. Das Glück, das dieser Zustand mit sich bringt, ist jeden Verzicht wert. Tatsächlich verschiebt sich Einiges. Für mich hat es zum Beispiel nichts mehr mit Vergnügen zu tun, mich zu betrinken. Hingegen ist für mich eine tiefe Meditation der größte Kick – besser als jede Droge.

Aus reiner Neugier: Kommst du überhaupt noch dazu, Yoga zu unterrichten?
(Lacht). Es gibt sogar Zeiten, in denen ich mehr unterrichte als selber praktiziere! Das hängt natürlich von meinem Zeitplan ab. In Phasen intensiver Dreharbeiten muss mein Basic-Yogaprogramm reichen: kurze Meditation, Pranayama und ein paar Asanas im Hotel am Morgen. Auf den Yogaretreats, die ich mit meiner Firma „Be better“ anbiete, unterrichte ich ja mehrere Klassen pro Tag. Das ist immer ein schönes „Batterie-Aufladen“. Für offene Klassen habe ich tatsächlich keine Zeit. Dafür gibt es jetzt regelmäßige Special-Workshops, die ich unterrichte.

Weitere Infos zu Kerstin Linnartz , „All about Yoga“ (GU, ca. 25 Euro) und ihre Termine unter: www.be-better.eu

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