Beinfreiheit- Supta Padangushthasana

Mit gut gedehnten Beinrückseiten und einem stabilen Rumpf schenkt Ihnen diese Haltung Kraft und einen frischen Blick auf das Leben und: Beinfreiheit.

Supta Padangushthasana (Großzehhaltung in Rücken­lage) ist meine Lieblingsübung bei Spannungen im unteren Rücken. Sie erzeugt einen gewissen Zug in der Lendenwirbelsäule, der Verspannung und Verdichtung lösen kann. Dabei erlaubt Ihnen die Rückenlage, die Beinrückseiten zu dehnen, ohne die Wirbelsäule zu belasten, denn der Boden stützt den Rücken und verhindert, dass er sich ungesund verkrümmt, während Sie die Beine heben. Die asymmetrische Struktur der Asana kann Ihnen helfen, die beiden Körperhälften besser in Ausgleich zu bringen. Meistens ist eine Hälfte dominant. Diese Seite des Rumpfs wird kräftiger, neigt zu Verspannungen und bringt die Haltung ins Ungleichgewicht.

Obendrein können Sie das Üben nutzen, um sich Ihre Handlungs­muster etwas bewusster machen: Der Yogaphilosophie zufolge setzt sich Bewusstsein aus drei Bestandteilen zusammen: Ego (Ahamkara), Denken und Fühlen (Manas) und Erkenntnisvermögen (Buddhi). Normalerweise dominiert das Ego, also jener Teil, der sich mit all dem identifiziert, was wir unmittelbar vor Augen haben, berühren und bereits kennen. In Supta Padangushthasana steht das gehobene Bein im Vordergrund der Wahrnehmung, während das am Boden liegende leicht aus dem Bewusstsein verschwindet. Obwohl die positive Wirkung der Haltung eigentlich aus der Verwurzelung des liegenden Beins und dem Zusammenspiel beider Körperhälften herrührt, scheint für das Ego die Bedeutung vor allem darin zu liegen, das obere Bein möglichst nah zum Kopf zu ziehen und den großen Zeh mit den Fingern halten zu können. Aus der Weisheit aller drei Bewusstseinsebenen heraus zu üben, hieße dagegen: Die Empfindungen im unteren Bein entscheiden darüber, wie weit Sie das obere Bein strecken. So wird die Haltung nicht nur sicherer, sondern auch wirkungsvoller für Beine, Hüften, Rücken und ein ganzheitliches Körperbewusstsein.

Die Verwendung eines Gurts macht die Asana für alle Übenden zugänglicher, egal wie gut die Beinrückseiten schon gedehnt sind. In der ersten Variante mit den Füßen an der Wand lernen Sie besser einzuschätzen, wie weit Sie das obere Bein heben können, ohne die korrekte Ausrichtung von Hüften, Becken und unterem Rücken zu gefährden. In der zweiten Übung wird das gehobene Bein zur Seite gesenkt. Das dehnt insbesondere die Leisten und Oberschenkelinnenseiten und kann helfen, Asymmetrien in der Haltung auszugleichen und Ischias-Beschwerden zu lindern. Menschen mit verkürzten Beinrückseiten fällt diese Variante oft leichter. Auch während der Menstruation ist sie empfehlenswerter.

In beiden vorbereitenden Haltungen lernen Sie das Zusammenspiel zwischen Beinen, Becken, Hüftgelenken und unterem Rücken genau kennen. Diese Prinzipien helfen Ihnen nicht nur in Supta Padangushthasana, sie lassen sich auch auf viele andere Steh- und Sitzhaltungen, auf Vorwärtsbeugen und Umkehrhaltungen übertragen. Es geht nie darum, wie „tief“ man in eine Haltung hineinkommt, sondern darum, wie alles zusammenhängt. Diese bewusste Verschiebung der Wahrnehmung lehrt Sie, mit mehr Geduld und Demut zu praktizieren. Wenn die ganzheitliche Körperintelligenz die Impulse des Egos überstimmt, kann Ihre Yogapraxis den Weg zu mehr körperlicher und geistiger Harmonie ebnen. //


Die Autorin MARLA APT ist weltweit eine der jüngsten hochzertifizierten Iyengar-Yogalehrerinnen. Sie unterrichtet in Los Angeles, bildet aber inzwischen auch in vielen anderen Ländern Lehrer aus. Ein Interview mit ihr können Sie im YOGA JOURNAL 38 (März/April 2015) nachlesen.


//  Supta Padangushthasana //  Supta = liegend, pada = Fuss, angushtha = grosser zeh, Asana = Haltung

Voruebung1_Yogajournal
Vorübung 1 an der Wand

 

Voruebung2_Yogajournal
Vorübung 2 an der Wand

 

beinfreiheit_Yogajournal
Beinfreiheit mit Supta Padangushthasana

 

 

Das Neueste

Umgang mit Emotionen – Shivas Tanz

Der befreite Tanz des Großen Yogi Shiva hilft bei unserem geschickten Umgang mit Emotionen. Hier wendest du Yogaphilosophie auf...

Nervenmobilisation mit Gül Ruijter – Teil 3: Nerven-Flossing für den Nacken

"Flossing" kennen die meisten vermutlich nur von der Zahnpflege. Mit diesen Übungen "putzt" du stattdessen deine Nervenbahnen, du bringst...

Jin Shin Jyutsu: aus eigener Kraft in die Selbstheilung

"Erkenne dich selbst!" lautet die zentrale Botschaft von Jin Shin Jyutsu. Zu den führenden deutschen Vertreter*innen dieser japanischen Selbstheilungskunst...

YogaWorld Podcast: #99 Shavayatra-Meditation – mit Nina Heitmann

Willkommen beim "YogaWorld Podcast"! Die Idee dahinter: Zugang zu echtem Yogawissen, ohne stundenlangem Bücherwälzen. Hier erfährst du einfach alles...

#99 Praxisreihe: Traditionelle Shavayatra-Meditation – mit Nina Heitmann

Entspannung pur für Körper und Geist: Entdecke die Kraft der Marmapunkte Die Shavayatra-Meditation ist eine althergebrachte Praxis der Himalaya-Tradition und...

Was deine Dosha-Konstitution über deine Liebesbeziehungen sagt

Die ayurvedische Lehre der Konstitutionstypen (Doshas) hilft dir, nicht nur dich selbst besser zu verstehen, sondern auch den Menschen,...

Pflichtlektüre

Was deine Dosha-Konstitution über deine Liebesbeziehungen sagt

Die ayurvedische Lehre der Konstitutionstypen (Doshas) hilft dir, nicht nur dich selbst besser zu verstehen, sondern auch den Menschen,...

#99 Praxisreihe: Traditionelle Shavayatra-Meditation – mit Nina Heitmann

Entspannung pur für Körper und Geist: Entdecke die Kraft der Marmapunkte Die Shavayatra-Meditation ist eine althergebrachte Praxis der Himalaya-Tradition und...

Das könnte dir auch gefallen
Unsere Tipps