Auf ein Rendezvous mit Sanskrit

In diese Sprache muss man sich einfach verlieben. Das ist die Botschaft, die Manorama während ihres Sanskritseminars verbreitet. Die bekannte Lehrerin erklärt, dass Sanskrit-Lernen nach den gleichen Regeln funktioniert wie Dating. So sollen sich die Teilnehmer dieses Seminars unvoreingenommen auf ein Rendezvous mit Sanskrit einlassen…

Obwohl Manorama ruhig und anmutig vor der Klasse sitzt, sprühen ihre leuchtenden Augen nur so vor Energie und Charisma. Ihr vorrangiges Dosha ist Pitta. Das hätte sie bei ihrer Vorstellung gar nicht erst erwähnen brauchen. Ihr Unterricht ist ansteckend, feurig und voller Leidenschaft. Schnell sind alle in ihren Bann gezogen und davon überzeugt, dass Sanskrit nicht nur als eine Sprache anzusehen ist, die es aus einem Buch zu erlernen gilt, um einen Zugang zu alten Schriften zu erlangen. Sie möchte, dass man die Seele der Sprache kennen und aufrichtig lieben lernt. Zugleich soll man verstehen, dass Sanskrit als ein „Stück des Yogakuchens“ in mehrere Facetten zu gliedern ist und dass es eine Sprache der Befreiung sowie Kultur des Verständnisses ist. Mit YOGA JOURNAL sprach Manorama nach dem kurzweiligen und vielversprechenden Rendezvous über ihren Werdegang und die Schönheit der Sprache.

Manorama, was bedeutet dein Name?
Ich habe meinen spirituellen Namen „Manorama” von Guruji (Shri Brahmananda Sarasvati, Anm.d.Red.) erhalten. Eigentlich heiße ich Thea D’Alvia. „Mano” bedeutet „Geist“ und „Herz“, „Rama” „liebreizend“. In seiner vollen Pracht bedeutet der Name soviel wie „Liebreizend für das Herz, bezaubernd für den Geist”.

Du hast Guru kennengelernt, als du noch sehr jung warst. Hat er dir geraten, Sanskrit-Lehrerin zu werden?
Als ich ihm das erste Mal begegnete, war ich 13 Jahre alt. Zwischen 16 und 22 sagte er mir, ich würde einmal Tausende von Menschen unterrichten. Aber erst sollte ich vernünftig Sanskrit studieren. Er war eine extrem liebenswürdige Person, aber auch ein strenger Vormund. Er wollte wirklich, dass ich ein erfülltes Leben habe und er wusste, dass Sanskrit mein Pfad dorthin sein sollte. Zuerst lehrte er mich und später brachte er mich dazu, selbst zu lehren. Nach seinem Tod dauerte es eine Weile, bis ich Fuß gefasst hatte, aber nach und nach wuchs meine Schülerzahl. Sharon Gannon bat mich irgendwann, bei der Jivamukti Yoga School zu unterrichten. Jetzt bin ich dort und für weitere Yogaschulen während der Yogalehrerausbildungen die Hauptlehrerin für den Sanskrit-Unterricht.

Wie können Menschen aus Europa an deinen Kursen teilnehmen?
Ich unterrichte mein Luminous Shabda, also Sanskrit, Meditation und in verschiedenen Yogazentren in New York. Außerdem bin ich häufig in Florida, Texas und Mexiko unterwegs. Seit einigen Jahren toure ich auch durch Europa. Europäische Schüler haben zudem die Möglichkeit, mit mir online mittels eines Teleclass-Formats Sanskrit, Mantren und die yogischen Lehren zu lernen. Gerade eben hat ein neuer Kurs begonnen, der sich „Fundamentals Of Yoga Club TM” nennt. Man kann sich dafür ganz leicht per Skype einwählen. Letztes Jahr gab es zum Beispiel den Kurs „The Year of Living Gita TM”, in dem Schüler das Prinzip des Luminous Shabda und der Bhagavad Gita erlernen konnten. 2013 stehen weitere Kurse auf dem Programm. Deutsche sind übrigens sehr gut im Sanskritunterricht! Ihr habt Endungen und zusammengesetzte Wörter, den Wunsch, das Sanskritsystem zu verstehen und die Gabe, gut strukturieren zu können und organisiert zu sein.

Wie sieht ein typischer Sanskritunterricht bei dir aus?
Zuerst erkläre ich die innere Haltung, mit der der Sprache am besten begegnet werden sollte. Ich lehre Sanskrit nämlich durch die Prinzipien des Luminous Shabda. Man sollte zum Beispiel immer an einem Punkt des gegenseitigen Respekts starten. Dann erkläre ich sehr spezifisch, was Sanskrit ist, was nicht und welchen Platz es im Leben eines modernen Westlers und Inders hat und lehre spezifische Mantren. Wichtig ist dabei vor allem, dass jeder einzelne der Sanskrit-Klänge ordentlich und korrekt betont wird. Dann geht es los mit dem Büffeln von Vokabeln und Grammatik. Aber das muss natürlich jeder für sich selbst tun.

Was bedeutet denn “Luminous Shabda“?
Ich habe den Terminus immer als „Sprache der Vibration“ verstanden und erklärt. Aber nach einigen Jahren verstehe ich „luminous“ (deutsch: leuchtend; Anm.d.Red.) als die Bewegung des Lichts auf dem Gaumen und im ganzen Körper. „Shabda“ wiederum ist der Klang. Für mich ist das dann „Klang aus Licht“. Übrigens sind die Wörter Gott und Göttin auf der Wurzel „div“ (Englisch „divine“: göttlich; Anm.d.Red.) aufgebaut. Das bedeutet „glänzen“ oder „scheinen“. Aus „div“ wird Deva, was dann mit „Gott“ oder „von Licht erfüllt“ übersetzt werden kann. Das hört sich sehr abstrakt an, aber eigentlich geht es nur darum, wie man sein eigenes Selbst besser wahrnehmen kann, indem man Sprache und Vibration gezielt einsetzt. Durch Luminous Shabda lehre ich aber nicht nur Sanskrit, sondern auch wie man die Prinzipien des Yoga in sein Leben integrieren kann. Da gibt es zum Beispiel die Santosha Meditation TM (Zufriedenheit) und das korrekte Rezitieren von Mantren. Für mich ist jedes Mantra wie ein Mini-Guru. Wenn man sich länger mit der jeweiligen Bedeutung auseinandersetzt, wird man irgendwann Antworten erhalten. Immerhin kommen die Mantren von den Rishis, den Sehern, also erleuchteten Wesen.

Im Unterricht hast du behauptet, jede Sprache hätte seine eigene Schönheit. Welche Schönheit hat Sanskrit für dich?
Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie Menschen grundlegende Heilung erfahren, wenn sie nur den Klang dieser Sprache sprechen oder hören. Der Klang des Sanskrit ist magisch! Für mich ist er wie ein Durchgang, der mich in einen anderen Raum führt. Dennoch ist es schön, auf diesem Weg geführt zu werden. Sanskrit zu lernen passiert nicht einfach nur, wenn man Vokabeln und Grammatik lernt. Als Teil des Prozesses brauchst du zur Unterstützung einen Guru. Oder wenn man das Wort Guru nicht mag: Jeder benötigt einfach einen Lehrer, der ein tiefes Verständnis für den spirituellen Aspekt der Sprache hat. Deswegen nenne ich es auch Luminous Shabda, weil es eben nicht stures Lernen einer Sprache ist. Es geht darum, die Sprache deines eigenen Selbst zu erlernen – und dafür brauchst du Anleitung.

Also würdest du nicht empfehlen, aus einem Buch zu lernen?
Viele Leute lernen Sanskrit aus einem Buch und das ist auch in Ordnung. Aber es ist nicht das gleiche. Ich habe mit meinen Guruji studiert und habe genau in der Art und Weise weitergemacht, wie es mir beigebracht wurde. Die Lehren des Yoga werden nun mal am allerbesten von einem Guru überliefert. Und das ist eine wunderschöne Tradition. Heutzutage fragt man sich oft, ob es richtig, falsch oder überhaupt notwendig ist, einen Guru zu haben. Aber in seiner reinen Form ist dies eine wunderbare Sache. Guru wird mit „Wachstum“ übersetzt, Wachstum von der Dunkelheit hinein in die Helligkeit. Genau das ist die Absicht des Sanskrit: uns zu helfen, aus der Dunkelheit ins Licht zu wachsen, wo wir uns zwar schon befinden, es aber noch nicht erkennen können.

Ist es deiner Meinung nach für Yogapraktizierende wichtig, Sanskrit zu lernen?
Wenn du Zugang zu Sanskrit hast, hast du auch Zugang zu den Tiefen der Lehre des Yoga, da ja auch alle alten Schriften in Sanskrit verfasst sind. In mir persönlich baut Sanskrit Liebe und Sanftheit auf.

In deinem Unterricht hast du gesagt, ein Mantra müsse immer korrekt betont und ausgesprochen werden, um richtig wirken zu können. Aber was ist, wenn ich zwar eine gute innere Intention habe, das Mantra aber dennoch falsch ausspreche? Hat dies nicht denselben Effekt wie eine korrekte Aussprache?
Sanskrit korrekt auszusprechen und Mantren ordentlich zu chanten ist noch einmal eine viel reichere und komplett andere Erfahrung. Wenn du die Mantren in korrekter Ausrichtung der Mundpositionen sprichst, in ordentlichem Rhythmus, Tempo, Atem und der dazugehörigen Intention, wirst du große Heilung erfahren. Trotzdem sollte man sich als Anfänger dadurch bitte nicht entmutigen lassen! Etwas Neues anzufangen bedeutet auch immer eine gewisse Bereitschaft zum Fall. Scheitere also, mach’ Fehler, aber bleib’ am Ball und bemühe dich weiter nach einem tieferen Verständnis. Am Anfang kommt einem Sanskrit sehr entgegen, wenn man sich Mühe gibt, aber ab einem gewissen Punkt liegt es an einem selbst, das Erlernte zu verfeinern. Jede Phase des Lernens erfordert ein neues Bewusstsein und stellt darüber hinaus eine neue Herausforderung dar. Yoga lehrt uns, dass das Leben nie eine Einbahnstraße ist. Der Prozess ist immer ein Dialog.

Wie einst Hebräisch soll nun auch Sanskrit wiederbelebt werden. Im Rahmen dieses Programms werden neue Wörter für neuartige Gegenstände erfunden und Radio- und Fernsehsendungen in Sanskrit ausgestrahlt. Könntest du verstehen, was dort geredet wird?
Ja, ich denke schon, aber ich müsste mich natürlich mit den neuen Worten auseinandersetzen. Ich finde diese Bewegung sehr gut, die von einigen Hindu-Gruppen ins Leben gerufen worden ist. Ich bin glücklich, dass Sanskrit gefördert wird. Ich persönlich halte mich aber an das Motto der International Sanskrit Community: „Vasudhaiva kutumbakam.” Das bedeutet „alles eine Familie“. Die Idee dahinter ist, dass wir durch das Studium einer Ursprungsphase mit unserer eigenen, uns innewohnenden Einheit in Kontakt zu treten. Von diesem Punkt aus wird alles und jeder zu unserer eigenen Familie und wir fühlen diese Einheit.


Manorama ist weltweit als Lehrerin für Sanskrit und Yogaphilosophie bekannt. Sie unterrichtet unter anderem auf Yoga Teacher Trainings bei Jivamukti Yoga, tourt durch Europa und bietet Online-Sanskrit-Unterricht an. Mehr Informationen unter www.sanskritstudies.org

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